Warum serviert ein „Türke“ an der Hausecke Kaffee? Wieso befindet sich eine Kopie des Venediger Löwen von San Marco im Hauptbahnhof? Und was macht der römische Kaiser Marc Anton mitsamt seinem Streitwagen in Wien?
Im letzten Teil der Denkmal-Serie spürt die Kulturfüchsin ungewöhnlichen Denkmälern nach. Vom Wehrmann in Eisen über ein Denkmal für die EU bis hin zum Hiroshima-Mahnmal und dem weltweit ersten Piefke-Denkmal.
Eisen in Holz
Noch heute zieht sie regelmäßig die Blicke auf sich – die Lindenholzfigur eines Ritters, der von Helm bis Schuhspitze mit Nägeln übersäht auf seinem Sockel in den Arkaden Ecke Felderstraße–Ebendorferstraße steht. Bei der (von Josef Müllner entworfen und ausgeführten) Statue handelt es sich um eine Propagandamaßnahme, die von dem Korvettenkapitän Theodor Graf Hartig in Anlehnung an Wiens berühmtes Wahrzeichen, den Stock im Eisen (der 2,5 Meter hoher Holzstamm am Stock-im-Eisen-Platz gilt als der älteste Nagelbaum der Welt) ins Leben gerufen wurde, um zur Spendensammlung für Kriegswitwen und Waisen aufzurufen. Bürger, die Geld spendeten durften einen Nagel in den Wehrmann treiben. Während der Zeit des Roten Wien aus dem Straßenbild verbannt, wurde er von den Austrofaschisten auf seinem heutigen Platz – bis 1919 stand er am Schwarzenbergplatz – wieder aufgestellt.
Ein bisschen von Rom und Venedig in Wien
Kriegerisch gebietet sich auch das Monument des römischen Feldherren und Politikers Marcus Antonius am Eingang der Secession. Die Marc-Anton-Gruppe, wie sie allgemein bezeichnet wird, besteht aus einem Streitwagen, der von einem Löwengespann gezogen wird und einer Löwin auf der Seite, die sich an den Wagen, wenige Zentimeter unter der Hand des Feldherren, schmiegt. Das Monument wurde im Auftrag des Unterrichtsministeriums für die Weltausstellung in Paris 1900 geschaffen und später an jenen Platz transportiert, wo es heute noch steht. Das das im Volksmund als „Löwenfiaker“ bezeichnete Gespann eben hier zum Stehen gekommen war verwunderte nicht nur die Wiener Bevölkerung, die ihn vielfach für den mit Wien (damals Vindobona) verbundenen Kaiser Marc Aurel (dieser schrieb hier immerhin einen Teil seiner Selbstbetrachtungen) verwechselte, sondern auch eine Heerschar an Kabarettisten, die ihn zum „deplatzierten“ Feldherrn ausriefen.
Ob deplaziert oder nicht, darüber lässt sich auch im Falle des Markuslöwen am Hauptbahnhof streiten. Das edle Tier stand früher prominent in der Kassenhalle des Südbahnhofs. Nicht der erste Umzug, den der König der Tiere hinter sich gebracht hat. Umplatziert wurde die Kopie des „Leone di San Marco“ bereits im Zuge der Wiederaufbauarbeiten des Südbahnhofs nach dem Zweiten Weltkrieg. Ursprünglich zierte die majestätische Großkatze mit sieben weiteren Artgenossen das Dach des prunkvollen Südbahnhofs. Durch seine Präsenz wollte das österreichische Kaiserhaus auf seine Vormachtstellung in Venedig hinweisen, auch wenn diese bei Errichtung des Südbahnhofs 1869 bereits seit rund zwanzig Jahren verloren war.
Wider den Türken
Nicht verloren hatte Österreich hingegen letztendlich den Kampf gegen die Osmanen. Zweimal konnte Wien einer Belagerung erfolgreich widerstehen. Ein Umstand, dem die Stadt einige Denkmäler verdankt. Eines davon ist das Denkmal von Georg Franz Kolschitzky – der in Wien angeblich das erste Kaffeehaus führte (historisch belegt ist allerdings jenes von Johannes Deodat, der als erster das Privileg zum öffentlichen Ausschank von Kaffee in seinem Wohnhaus in der heutigen Rotenturmstraße erhielt) – an der Hausecke Favoritenstraße-Kolschitzkygasse. Kolschitzky soll mit seinem Diener als Türke verkleidet die feindlichen Linien durchbrochen haben und mit der Information zurückgekehrt sein, dass das Entsatzheer sich bald in Marsch setzen werde. Zum Dank für seine Leistung wurde er in den Rang eines kaiserlichen Dolmetschers erhoben. Viel eingebracht dürfte es ihm allerdings nicht haben – Kolschitzky soll 1664 im Alter von 54 Jahren völlig verarmt in Wien gestorben sein. Ein Schicksal, das er mit anderen Persönlichkeiten teilte, die heute in Wien ebenfalls ein Denkmal besitzen – allen voran Mozart und der liebe Augustin.
Ebenfalls an die Türkenkriege erinnern die Türkensteine nahe der Mauerbachstraße. Die Steinplatten türkischen Ursprungs wurden von Gideon Ernst Freiherr von Laudon nach erfolgreicher Eroberung Belgrads 1789 nach Wien mitgebracht. Ursprünglich für sein Grab bestimmt, zieren sie heute den Wienerwald im 14. Bezirk. Laudons Grab befindet sich im Übrigen nicht unweit davon entfernt und ist auf Grund seiner monumentalen klassizistischen Architektur einen Besuch wert.
Einen Besuch wert, ist auch der Türkenschanzpark. Nicht nur wegen seines hohen Erholungswertes, sondern auch auf Grund seiner vielfältigen Denkmäler (unter anderem das erste Denkmal, das eine bürgeliche Frau ehrt – das Auguste-Fickert-Denkmal). Seit 2003 befindet sich hier auch das „Denkmal für die Ukrainischen Kosaken“, das an den Einsatz der ukrainischen Kosaken-Armee bei der Entsatzschlacht am 12. September 1663 zur Befreiung Wiens durch die Türken gedenkt. Initiiert wurde das Denkmal von der Österreichisch-Ukrainischen Gesellschaft anlässlich des 320-jährigen Jubiläums der Zweiten Türkenbelagerung 2003. Ein weiteres Denkmal für die ukrainischen Kosaken befindet sich auf dem Leopoldsberg. Das Besondere des Kosakendenkmals im Türkenschanzpark – das Denkmal ist zweiteilig. Während im Vordergrund eine auf einem Stein sitzende Pfeife rauchende Figur zu sehen ist, grast etwas weiter hinten ein Pferd.
Hilflos
Niemanden zur Hilfe kam hingegen dem afrikanischen Flüchtling Marcus Omofuma, der von österreichischen Justizbeamten gefesselt und geknebelt auf einer Flugzeugtoilette erstickte, während er in seine Heimat abgeschoben wurde. Der Fall erregte damals großes Aufsehen und setzte lange Diskussionen in Gang. Einen künstlerischen Beitrag zu jener Tragödie lieferte die Wiener Bildhauerin Ulrike Truger mit ihrem Omofuma-Gedenkstein, der sich im siebentem Bezirk beim Museumsquartier auf dem Platz der Menschenrechte befindet.
Jegliche Hilfe kam auch für die rund 270.000 Opfer des amerikanischen Atombombenabwurfs über Hiroshima zu spät. Jene, die nicht sofort umkamen, hatten Jahrzehnte lang an den Folgen der Strahlenschäden zu leiden, bevor sie starben. In diesem Zusammenhang großes Aufsehen erregte der Fall, der beim Abwurf der Bombe zweijährigen Sadako Sasaki. Der Wiener Schriftsteller Karl Bruckner setzte ihr mit seinem 1961 erschienen Roman „Sadako will leben“ ein unvergessenes Denkmal. Diesem schriftlichen folgte ein physisches aus Stein nach. Der Hiroshima-Gedenkstein, bei dem es sich um ein Originalstück aus dem damals zerbombten Rathaus handelt, steht seit Mitte September 2009 am Richard-Wagner-Platz im 16. Bezirk. Das Mahnmal, das im Jubiläumsjahr zu 140 Jahren japanisch-österreichischer Beziehungen enthüllt wurde, trägt die schlichte Inschrift „Weltfriede“.
Für ein verständnisvolleres Miteinander
Diesen Frieden zumindest zwischen den europäischen Völkern zu gewähren und für eine sichere Zukunft zu sorgen, das war und ist Ziel der EU. In Wien wird dieser Gedanke auch durch ein Denkmal getragen, das 2004 vom „Dachverband aller österreichisch-ausländischen Gesellschaften – PaN“ im Votivpark aufgestellt wurde. Zehn Granitsesseln um einen Tisch mit einer Landkarte symbolisieren die damals neu hinzugekommenen Mitglieder, während die im Kreis herum gepflanzten Bäume für die weiteren Mitglieder stehen. Österreich wird durch die Winterlinde (Die Linde ist übrigens auch Österreichs Baum des Jahres 2021) verkörpert.
Wie wechselvoll die Geschichte sein kann, das beweist auch das Piefke-Denkmal, das 2009 in dem niederösterreichischen – nahe bei Wien gelegenen – Ort Gänserndorf enthüllt wurde. Johann Gottfried Piefke war Militärmusiker bei der preußischen Armee. 1866 gab er nach der verheerenden Schlacht bei Königgrätz, die Österreich endgültig seine Vormachtstellung im deutschen Sprachraum kostete, im österreichischen Marchfeld ein Konzert. Danach machte sich der Name Piefke als Schimpfwort für die Deutschen im österreichischen Sprachgebrauch breit. Der Initiator des als Klanginstallation konzipierten Denkmals, Christoph Theiler will mit diesem „Kulturmanöver“ dazu beitragen, in spielerischer Weise am Kulturverständnis der „verfreundeten“ Nachbarn Österreich und Deutschland zu „drehen“.
Quellen und links:
Settele, Matthias: Wiener Denkmäler. Perlen Reihe: Wien 1999
Webservice der Stadt Wien „Wien Kulturgut“: www.wien.at/kultur/kulturgut
Piefke in Gänserndorf: www.piefkedenkmal.at
Serie Wien Denkmäler
Von Machthabern und Feldherren: Die Denkmäler der Habsburger
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